Antonia Anner
über das Chlauschlöpf-Training in Ammerswil
Dank Handy überall und jederzeit verfügbar: Der Konsum von sexuellem Content birgt Suchtgefahr.
Symbolbild: Daniel Jędzura - stock.adobe.com
Der neu gegründete Verein «Befreit zum Leben» in Zofingen bietet allen Menschen Hilfe, die unter einem problematischen Umgang mit sexuellen Inhalten im Internet leiden. Über die vom Verein betriebene Website por-no.ch können sich Betroffene völlig anonym melden und beraten lassen.
Zofingen Aus bisherigen Studien geht hervor, dass hierzulande mehr als 90 Prozent der Männer, egal ob Single oder gebunden, online sexuelle Inhalte in Form von Bildern und Filmen konsumieren. Bei den Frauen fehlen diesbezüglich noch verlässliche Zahlen. Aber auch dieser Anteil nimmt stetig zu, wie die Analyse eines branchenführenden Anbieters aufzeigt.
Da dieses Thema – obwohl omnipräsent – immer noch mit einem Tabu behaftet ist, wird darüber in unserer Gesellschaft wenig bis gar nicht geredet, oftmals einfach auch aus Scham, zuzugeben, dass man auch «zu denen gehört». Das macht es für Männer wie für Frauen schwierig, sich jemandem anzuvertrauen, wenn sie innere Konflikte beim Onlinekonsum sexueller Inhalte bekommen.
Eine Anlaufstelle für Betroffene bietet der vor kurzem gegründete Verein «Befreit zum Leben» in Zofingen. Eine kleine Gruppe von Männern und einer Frau bietet dazu über die Website por-no.ch seelsorgerische Beratungen für alle Männer wie für Frauen an. Dies geschieht absolut anonym und niederschwellig.
Anonym bleiben möchten auch die Mitglieder des Vereins, die sich aus eigener Betroffenheit seit vielen Jahren mit dieser Thematik beschäftigen. Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse möchten sie nun gerne anderen Betroffenen zur Verfügung stellen, ihnen helfen und sie bei der Konfliktbewältigung begleiten sowie einiges anstossen, um Schritt für Schritt weiterzukommen.
«Ich war selbst betroffen, habe Hilfsangebote in Anspruch genommen, war in Gesprächsgruppen sowie Einzeltherapiesitzungen und habe viele Bücher darüber gelesen», erzählt der Vereinspräsident. «Ich war nicht süchtig im eigentlichen Sinn. Aber jedes Mal, wenn es wieder so weit war, fühlte es sich wegen des Kontrollverlustes wie eine Sucht an. Ich bin verheiratet und habe Kinder. Mein Glaube und die daraus abgeleiteten Werte spielen für mich eine grosse Rolle. Deshalb wollte ich diese Inhalte einfach nicht mehr konsumieren.»
Betroffene würden sich oft vorwerfen, dass sie schlecht oder schlimm seien. Sie schämten sich und klagten sich selbst an. Das seien klare Anzeichen, dass man innere Konflikte habe, so der Präsident. Mit dem Begriff «Sucht» sei er vorsichtig, da dieser auch ein Sucht-Mindset nach sich ziehe, im Sinn von «ich kann nicht anders».
Er selbst sehe es unterdessen eher als schlechte Gewohnheit an. Diese lasse sich aber nicht mit Willenskraft verdrängen und komme immer wieder, wenn man sich nicht mit den Ursachen auseinandersetze. Es gelte, alternative Strategien zu entwickeln, um aus diesem Kreis auszubrechen. Schlechte Gewohnheiten könne man nicht nur entwickeln, sondern man könne sie auch wieder wegtrainieren.
Der Online-Konsum sexueller Inhalte hat verschiedene Auswirkungen auf die reelle Sexualität. So kann sich bei Männern ausserhalb der visuellen Stimulation am Bildschirm ein Libido-Verlust bemerkbar machen. Oder gerade jungen Konsumenten – Studien zeigen, dass das Einstiegsalter heute bei 10 bis 12 Jahren liegt – wird ein völlig falsches Bild von der Sexualität vermittelt. Das gilt auch für Mädchen, die dann glauben, all diese Dinge machen zu müssen. Oft mangelt es auch an Aufklärung seitens der Eltern.
«Wir sehen uns als eine erste Anlaufstelle für Betroffene, wo sie sich völlig anonym und ohne Scham öffnen können. Wir geben ihnen wichtige Erkenntnisse und praktisches Wissen weiter, damit sie auch die psychologischen Abläufe verstehen. Für viele ist das schon ein erster Durchbruch. Wir beraten Betroffene, ohne sie zu werten und begleiten sie ganz individuell, solange es nötig ist oder sie es auch wollen», erklärt der Präsident. «Im Grundsatz sind wir christlich orientiert, aber es darf sich jeder und jede melden. Religion, Herkunft, Alter und auch sexuelle Ausrichtung spielen dabei überhaupt keine Rolle.»
Kommuniziert wird zu Beginn über die kostenlose App Teleguard (absolut anonym) oder via E-Mail. Mädchen und Frauen können sich dabei direkt an die Frau im Verein wenden. Alle weiteren Informationen findet man unter por-no.ch.
«Mit unserem Angebot möchten wir Männern wie auch Frauen helfen, mit sich selbst wieder ins Reine kommen zu können», so der Präsident.
Von Olivier Diethelm
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