Antonia Anner
über das Chlauschlöpf-Training in Ammerswil
Der feierliche Gottesdienst zum 30-jährigen Bestehen der Beratungsstelle Sela in Aarau ist ein bedeutendes Ereignis, das nicht nur die erfolgreiche Arbeit der Einrichtung würdigt, sondern auch das Engagement und die Unterstützung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstreicht.
Aarau Weitherum vernehmbar läuteten am letzten Samstagnachmittag die Glocken der reformierten Stadtkirche Aarau die gottesdienstliche Feier zum 30-jährigen Bestehen der Stiftung und Beratungsstelle Sela in Aarau ein. Als das Einläuten mit dem Zweiuhrschlag endete, hob das musikalische Quartett der «Internationalen Gottesdienstband» aus Zürich zum Lied «How Great Is Our God» an, das es feinfühlig und rhythmisch differenziert intonierte – die Tonalität passte zur Jubilarin, deren Mitarbeitende seit drei Jahrzehnten ratsuchenden Menschen einfühlsam und kompetent zur Seite stehen.
Für diese Konstanz seien die Gründer Theddy Probst und Peter Bosshart verantwortlich, die als eigentliche Freigeister mit ihrer besonderen Lebenskraft, die Sela auch durch anspruchsvolle Gewässer navigierten, hielt Supervisorin und Coach Mara Eberhard in ihrem dramaturgisch gekonnten Grusswort fest, welches das gottesdienstliche Motto «Hoffnung» aufnahm. Der kurze Rückblick auf die bewegte Geschichte verdeutlichte das treue Wirken der Pioniere: Im Juni 1994 gründeten sie die Stiftung und öffneten an der nahen Rathausgasse 2 die Beratungsräume, wo seither Einzelpersonen und Paare, Seniorinnen und Jugendliche begleitet und unterstützt werden. Dazu baute das Team mit insgesamt 23 wechselnden Mitarbeitenden ein Kurswesen als Beitrag zur Konfliktprävention auf, später kamen Newsletter mit Fachartikeln und Informationen dazu.
Ob spärlich besuchter Sponsorenlauf oder Dachstockbrand im Nachbarhaus, ob personelle oder finanzielle Fragen – die Sela trotzte einigen Stürmen und konnte ihren Kurs über die Jahrzehnte halten. «Wir waren stets eine gemeinnützige Institution, die es braucht, getragen zu werden», erklärte Stiftungsrat und Pfarrer Theddy Probst. Für den langjährigen Präsidenten Peter Bosshart war es nach eigenen Aussagen stets zentral, im Stiftungsrat ein Miteinander in Vielfalt zu pflegen und sich dabei wertvoll zu ergänzen. Beide sind überzeugt, dass die Unterstützung durch die Sela auch heute und morgen gefragt sein wird. Für ihr zuversichtliches Weitergehen wurden sie jedenfalls von Mara Eberhard symbolisch mit belebender Atemluft in Form von Ballonen, erfrischendem Quellwasser, Kraft spendender Nahrung und wärmendem Feuer ausgerüstet.
Dass die Mitwirkenden der Seelsorge verpflichtet sind und damit «die Muttersprache der Kirche sprechen», hielt Gastredner Ralph Kunz, Professor für Praktische Theologie an der Uni Zürich, in seinem inspirierenden Beitrag lobend fest. Als 60-Jähriger gehe es nicht an, einer 30-Jährigen Ratschläge zu erteilen, schmunzelte er und verwies stattdessen auf die Persönlichkeit, zu der sich die Sela entwickelt habe. «Wenn Menschen in solcher Gemeinschaft unterwegs sind, entsteht mehr als die Summe aller Teile.» Diese Persönlichkeit bekomme ein Eigenleben, wie etwa auch eine Kirchgemeinde, und darum habe die Sela auch einen Engel, der sie seit Anbeginn behütet habe, «und ich bin sicher, er ist jetzt da», so Kunz. «Ihr kümmert euch um bedrängte Seelen, ihr helft, dass sie sich wieder aufrichten können; was ihr im Namen von Gott tut, ist gut, ist gesegnet», hielt er fest.
Im Hebräischen habe das schöne Wort «Sela» eine Bedeutung, es stehe in den Psalmen nämlich für ein Atemzeichen, eine Pause, wo der Einzelne vor dem Chor hörbar wird. Ebenso biete die Sela bedrängten Menschen einen Ort, wo sie gehört werden, damit sie im Chor nicht untergehen, nicht verstummen. Schliesslich wünschte Kunz der Sela «viele Kinder» in Form von Filialen, denn «wir brauchen alle Seelsorger, um Klage in Tanzen zu verwandeln». Dieser Wunsch wurde teilweise bereits umgesetzt, denn Beratungen und Kurse werden seit kurzem auch in Thun und Urdorf angeboten.
In der folgenden Interview-Predigt beantworteten die Beratenden Esther Stotz, Oliver Merz und Theddy Probst in pointierten und persönlichen Voten mehrere kritische Fragen von Berater und Pfarrer Philipp Müller nach tragender Hoffnung auch in grossen Nöten und Herausforderungen. Für Sozialpädagogin Stotz ist es wichtig, mit Klientinnen und Klienten herauszufinden, wo Hoffnung wirklich trägt und nicht bloss ein Strohhalm ist, an den sie sich klammern. Pfarrer Merz will sich seine Hoffnung trotz chronischer Krankheit nie rauben lassen. Und Theddy Probst sagte: «Hoffnung setzt der Welt, wie sie ist, etwas entgegen.» Sie sammle Kraft, wirke auf Veränderung, bleibe realistisch und lebe bei Hindernissen aus der Kraft des Vertrauens.
Mit dem vertrauensvollen Lied «You Raise Me Up» wurde die kurzweilige und stimmungsvolle Gottesdienstfeier abgerundet. Von der Brüstung der Empore blickte eine kleine Engelsfigur auf die Runde herab – gewiss war es an diesem Novembernachmittag der Engel der Sela.
pd
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