Andreas von Arx
Der Rothrister Feuerwehr Kommandant im Interview
Dr. med. Daniel Eisenhart, Leiter Institut für Rechtsmedizin am KSA. Bild: Adrian Oberer
Die Rechtsmedizin ist vielen aus CSI-Krimiserien ein Begriff. Um Fakt von Fiktion zu trennen, vor allem aber um das 10-Jahre-Jubiläum des Instituts für Rechtsmedizin am KSA zu feiern, fand am 14. September ein Tag der offenen Tür statt.
Aarau «Todeszeitpunkt vor circa vier Stunden. Genaueres kann ich nach der Obduktion sagen.» Jeder Krimi-Fan hat diesen Satz in der einen oder anderen Form schon einmal gehört. Rechtsmediziner, die Kriminalfälle fast im Alleingang lösen, flackern heute noch täglich über Schweizer Bildschirme. Aber wie nahe am tatsächlichen Alltag eines Rechtsmediziners sind diese Erzählungen? Zum zehnten Jahrestag des Institut für Rechtsmedizin am Kantonsspital Aarau (KSA) wurde genau diese Frage an einem Tag der offenen Tür geklärt.
Zu Beginn räumte Institutsleiter Dr. Daniel Eisenhart direkt mit ein paar allgemeinen Klischees auf, die sich hartnäckig in der Gesellschaft halten. Dass Haare und Fingernägel zum Beispiel nach dem Tod weiterwachsen, stimme nicht: «Mit dem Tod sterben alle Zellen ab, da wächst nichts mehr.» Ebenfalls weit verbreitet sei der Irrglaube, dass Leichen giftig seien. Auch dem sei nicht so. Allerdings könne eine Leiche noch mehrere Wochen ansteckend sein, wenn die Person zu Lebzeiten mit einem Virus oder Bakterien, wie beispielsweise Tuberkulose, infiziert war. Daher gelte es dennoch vorsichtig zu sein.
Aber was macht denn nun ein Rechtsmediziner? Die Disziplin zeichnet sich durch ihre ausgeprägte Interdisziplinarität aus, wie Dr. Eisenhart erklärte. Das heisst, mehrere eigenständige Fachrichtungen arbeiten eng zusammen. Die forensische Medizin, als älteste und bekannteste Abteilung, befasst sich mit der Untersuchung lebender und verstorbener Menschen, wobei der Fokus bei Lebenden oft auf Gewaltdelikten liegt, bei Verstorbenen auf der Todesursache. Die forensische Toxikologie, besetzt mit spezialisierten Chemikern, widmet sich der Untersuchung von Giften und Vergiftungen. Zentral ist auch die Abteilung für Genetik/DNA, die sich mit der Analyse von Spuren bei Straftaten aber auch Vaterschaftstests beschäftigt. Als jüngste Ergänzung komplettiert die Verkehrsmedizin das Quartett der rechtsmedizinischen Disziplinen, indem sie sich auf die Beurteilung der Fahreignung konzentriert. Die enge Verflechtung und Zusammenarbeit dieser vier Abteilungen ist von zentraler Bedeutung für die Rechtsmedizin.
Nicht Bestandteil der Rechtsmedizin ist die Pathologie. Obwohl die beiden Fachrichtungen wenig miteinander zu tun haben, verwechseln viele Leute die beiden oder halten sie gar für ein und dasselbe. Bei einem Befund schaue die Pathologie aber vereinfacht gesagt in die Zukunft und versuche eine Diagnose als Grundlage einer Therapie zu erstellen – im Gegensatz zur Rechtsmedizin, die stets in die Vergangenheit blickt und herauszufinden versucht, wie es zu besagtem Befund kam. Die einzige Gemeinsamkeit liege bei der Autopsie – oder besser: lag. Denn Autopsien werden in der Pathologie nur noch höchst selten durchgeführt.
Für Eindruck beim zahlreich erschienen Publikum sorgte auch die Nacherzählung eines ganz besonderen Falls aus den vergangenen zehn Jahren: Ein Unternehmen wurde mit der Reinigung eines Abwasserschachts an einer Überlandstrasse beauftragt. Dafür kommen spezielle Fahrzeuge zum Einsatz, die man sich als überdimensionierte Staubsauger vorstellen kann. Als ein Mitarbeiter also den Schacht säuberte, blockierte plötzlich etwas den Sauger – ein paar Schuhe, wie sich herausstellte. Weil er in den Schuhen Knochen zu sehen glaubte, stoppte er die Arbeiten und verständigte die Polizei. Aufgeboten wurde auch die Rechtsmedizin. Von oben in den Schacht blickend konnten sie allerdings nicht feststellen, was da unten noch so lag. «Die grosse Herausforderung in diesem Fall war, dass bei der Bergung nichts kaputt gehen durfte», erinnerte sich Eisenhart, der damals persönlich vor Ort war. So verbrachten sie den Tag damit, den Schachtinhalt in Eimern an die Oberfläche zu transportieren. Tatsächlich trat ein ganzes, menschliches Skelett zu Tage.
Schon vor Ort konnten die Aarauer Rechtsmediziner zwei Löcher im Schädel feststellen. Nun galt es herauszufinden, ob diese Löcher mit dem Tod in Verbindung standen und wenn ja, ob sie auf ein Verbrechen hindeuten. Anhand der Form und den Absplitterungen am Knochen konnten die Löcher eindeutig als Einschusslöcher identifiziert werden. Das Skelett wies zusätzlich darauf hin, dass es sich beim Opfer um eine männliche, etwa 1,77 Meter grosse Person handeln muss. So konnten die Rechtsmediziner der Polizei noch am selben Abend bestätigen, dass dem gefundenen Mann zweimal von hinten in den Kopf geschossen wurde.
Mit solchen medizinischen Funden endet dann aber ihre Arbeit jeweils auch. Im Gegensatz zu CSI, Bestatter und Co. überlassen echte Rechtsmediziner die Ermittlungsarbeiten der Polizei.
Von Adrian Oberer
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